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eder der schon einmal in einem zoologischen Garten war kennt mir Sicherheit die Laute die ein Tiger von sich geben kann. Es reicht von einem Miau, wenn sie noch klein sind, bis zu einem durchdringenden sehr lauten „Brüllen“. Was man sehr selten zu hören bekommt ist ein schnurrendes Geräusch wie wir es von Hauskatzen kennen. Am Anfang wird man sich sagen, daß ein Tiger schließlich keine Hauskatze sein und deswegen auch nicht schnurren kann. Dies ist jedoch ein Trugschluß. Begingt durch die andere Anatomie ist der Tiger zwar nicht in der Lage einen durchgehenden Schnurrton, wie die Hauskatze, zu erzeugen. Der Tiger kann „lediglich“ beim Ausatmen schnurren, während die kleineren Katzen beim Ein- und Ausatmen schnurrende Geräusche erzeugen können. Wenn man sich also im Zoo etwas Zeit läßt, dann kann man früher oder später einmal hören wie ein Tiger schnurrt.

Der Tiger hat wie alle Katzen ein sehr großes Repertoire an Stimmvariationen. Eine Vielzahl an Tieren stoßen beispielsweise bei Gefahr einen bestimmten Laut aus und bei steigender Gefahr den selben Laut nur schnell oder häufiger. Die Katzen verwenden unterschiedliche Laute in dieser Situation. Der Inhalt des Botschaft mag immer der selbe sein („Gefahr droht“), aber die Intensität dieser Emotion wird mit verschiedenen Lauten ausgedrückt.

Es gibt sieben Hauptsituationen zwischen denen man unterscheiden kann (nach Lauten zu trennen macht ja nunmehr keinen Sinn):

Angst

in dieser Situation wird eine Katze versuchen lautlos zu verschwinden – sollte dies nicht möglich sein kann man kehlige Heultöne bis hin zu fauchen und spucken beobachten

Schmerz

je nach Intensität des Schmerzes kann man diesen Laut als Quäken bis Kreischen klassifizieren – man hört solche rufe nur bei Tigerwelpen oder bei Tigern die vom Menschen großgezogen wurden, da ein Tiger in freier Wildbahn nicht auf die Hilfe andere Tiger zählen kann (der Mensch kommt im Notfall!!)

Zorn/Wut

im Allgemeinen kann man hierbei sehr Lautes Jaulen und Kreischen hören, welches manchmal mit Brunstlauten verwechselt wird, da Kämpfe meistens in diese Zeit fallen

Angriff

dieses Geräusch klingt wie ein merkwürdiges Schnattern mit Zähnen und Mund, als hätte der Tiger die Beute schon zwischen den Zähnen und würde schon zubeißen

Aufmerksamkeit fordern

jeder kann sich mit sicherlich das Miauen einer Hauskatze vorstellen, die Aufmerksamkeit will – beim Tiger hört man ein solches Miau nur wenn er noch sehr jung ist, bei älteren Tiger in freier Wildbahn gibt es keinen vergleichbaren Laut – lediglich von Menschen aufgezogene Tiger prägen hierfür einen Laut aus, der wie ein rollendes schnauben klingt

Aufforderung („komm mit“)

die Aufforderung etwas zu tun klingt wie ein lang gezogener Zwitscherton und ähnelt etwas der Begrüßung von Familienangehörigen oder vertrauten, welches mit dem Prusten (siehe unten) gemeint ist

friedfertig

im Gegensatz zu dem was von vielen Katzenfreunden immer wieder postuliert wird, ist das Schnurren kein Zeichen von Zufriedenheit im Generellen, sondern ein Anzeichen für eine friedfertige Stimmung, die durchaus auch Zufriedenheit, aber auch Unterwürfigkeit oder Nachgiebigkeit enthalten kann

 

Das von mir bereits angesprochene Prusten ist ein Begrüßung des Tigers an einen Vertrauten anderen Tiger oder auch einen Menschen. Kein Tiger der einen mag würde es unterlassen auf diese Weise eine Begrüßung zu starten. Es kann als Zeichen von Sympathie und Zuneigung gewertet werden und ist ein Indiz, daß einen der Tiger bestimmt nicht angreifen wird ohne das man ihn vorher maßgeblich provoziert hat.

Als letztes möchte ich das sogenannte Fauchen des Tigers etwas näher betrachten. Dieses Fauchen ist eine Verteidigungsstrategie die Angriffe auf den Tiger von vorne weg verhindern soll. Um dies näher zu erklären muß man sich auf die Ebene der Vermutung zurück ziehen. Das Fauchen und das im selben Kontext meist auftretende Spucken bei den Katzen und auch beim Tiger ist mit aller Wahrscheinlichkeit auf eine Mimikry zurück zu führen. Mimikry bedeutet, daß der Tiger in diesem Fall vortäuscht ein anderes Tier, wohl ein Giftschlange, zu sein. Das zischende Fauchen und das Spucken ähnelt tatsächlich in erstaunlicher Weise dem Verhalten das Giftschlangen in ähnlichen Situationen erzeugen. Selbst ein Tiger überlegt es sich zwei Mal, ob er eine Giftschlage angreift oder nicht doch lieber seines Weges geht. Mittlerweile nimmt man auch an, daß die Fellmusterung nicht nur Tarnung ist, sondern ebenfalls der Mimikry dient, um eine Giftschlange nach zu ahmen. Indem der Tiger in einer Situation in der er sich in die Ecke gedrängt fühlt, diese Geräusche erzeugt weckt er im Gegner die meist angeborene Angst vor Giftschlangen. Das Fauchen ist also somit ein defensives Mittel, um den Gegner ab zu schrecken. Bei einem ausgewachsenen Tiger beobachtet man so etwas äußerst selten, da er von einem anderen Tier, außer Artgenossen, nichts zu befürchten hat. Bei in der Obhut von Menschen aufgewachsenen Tigern hört man dieses Fauchen auch, wenn der Tiger seinen Willen durchsetzen will. Man könnte es als ehr lieb gemeinte Einschüchterung bezeichnen.

Sollten Sie zu diesem Thema noch mehr wissen wollen oder Sie eine Frage an mich haben, dann zögern Sie nicht mir eine EMail zu schreiben und/oder in der Kategorie „Mißverständnisse und was man wissen sollte...“ zu sehen:

© 2001 by Marc "Shir Khan" Meiner